Verfassungsurkunde für das Königreich Bayern Baiern: § 2 Für das ganze Königreich besteht eine allgemeine in zwey Kammern abgetheilte Stände-Versammlung. § 3 Zur Successions-Fähigkeit wird eine rechtmäßige Geburt aus einer ebenbürtigen - mit Bewilligung des Königs geschlossenen Ehe erfordert. § 4 Der Mannsstamm hat vor den weiblichen Nachkommen den Vorzug, und die Prinzessinnen sind von der Regierungs-Folge in so lange ausgeschlossen, als in dem Königlichen Hause noch ein successionsfähiger männlicher Sproße oder ein durch Erbverbrüderung zur Thronfolge berechtigter Prinz vorhanden ist. § 5 Nach gänzlicher Erlöschung des Mannsstammes und in Ermanglung einer mit einem andern fürstlichen Hause aus dem deutschen Bunde für diesen Fall geschlossenen Erbverbrüderung geht die Thronfolge auf die weibliche Nachkommenschaft nach eben der Erbfolge-Ordnung, die für den Mannsstamm festgesetzt ist, über, so daß die zur Zeit des Ablebens des letzt regierenden Königs lebenden Baierischen Prinzessinnen oder Abkömmlinge von denselben, ohne Unterschied des Geschlechtes eben so, als wären sie Prinzen des ursprünglichen Mannsstammes des Baierischen Hauses, nach dem Erstgeburts-Rechte und der Lineal-Erbfolge-Ordnung zur Thronfolge berufen werden. § 6 Sollte die Baierische Krone nach Erlöschung des Mannsstamms an den Regenten einer größern Monarchie gelangen, welcher seine Residenz im Königreiche Baiern nicht nehmen könnte oder würde, so soll dieselbe an den zweytgebornen Prinzen dieses Hauses übergehen, und in dessen Linie sodann dieselbe Erbfolge eintreten, wie sie oben vorgezeichnet ist. § 7 Die Volljährigkeit der Prinzen und Prinzessinnen des Königlichen Hauses tritt mit dem zurückgelegten Achtzehnten Jahre ein. § 9 Die Reichs-Verwesung tritt ein: § 10 Dem Monarchen steht es frey, unter den volljährigen Prinzen des Hauses den Reichs-Verweser für die Zeit der Minderjährigkeit seines Nachfolgers zu wählen. § 11 Sollte der Monarch durch irgend eine Ursache, die in ihrer Wirkung länger als ein Jahr dauert, an der Ausübung der Regierung gehindert werden, und für diesen Fall nicht selbst Vorsehung getroffen haben, oder treffen können, so findet mit Zustimmung der Stände, welchen die Verhinderungs-Ursachen anzuzeigen sind, gleichfalls die für den Fall der Minderjährigkeit bestimmte gesetzliche Regentschaft statt. § 12 Wenn der König nach § 10 den Reichs-Verweser für den Fall der Minderjährigkeit ernennt, so wird die darüber ausgefertigte Urkunde durch denjenigen Minister, welchem die Verrichtungen eines Ministers des Königlichen Hauses übertragen sind, im Haus-Archiv bis zum Ableben des Monarchen aufbewahrt und dann dem Gesammt-Staats-Ministerium zur Einsicht und öffentlichen Bekanntmachung vorgelegt. Dem Reichs-Verweser wird die über seine Ernennung ausgefertigte Urkunde zugleich mitgetheilt. § 13 Wenn kein zur Reichs-Verwesung geeigneter Agnat vorhanden ist, der Monarch jedoch eine verwittibte Königin hinterläßt, so gebührt dieser die Reichs-Verwesung. § 14 In jedem Falle gebührt einer verwittibten Königin unter der Aufsicht des Reichs-Verwesers die Erziehung ihrer Kinder nach den in dem Familien-Gesetze hierüber enthaltenen nähern Bestimmungen. § 15 In den im § 9 a und b bezeichneten Fällen wird die Regierung im Nahmen des minderjährigen oder in der Ausübung der Regierung gehinderten Monarchen geführt. § 16 Der Prinz des Hauses, die verwittibte Königin oder derjenige Kron-Beamte, welchem die Reichs-Verwesung übertragen wird, muß gleich nach dem Antritte der Regentschaft die Stände versammeln und in ihrer Mitte und in Gegenwart der Staats-Minister, so wie der Mitglieder des Staats-Rathes nachstehenden Eid ablegen: § 17 Der Regent übt während seiner Reichs-Verwesung alle Regierungs-Rechte aus, welche durch die Verfassung nicht besonders ausgenommen sind. § 18 Alle erledigten Aemter, mit Ausnahme der Justiz-Stellen, können während der Reichs-Verwesung nur provisorisch besetzt werden. Der Reichs-Verweser kann weder Krongüter veräußern oder heimgefallene Lehen verleihen noch neue Aemter einführen. § 19 Das Gesammt-Staats-Ministerium bildet den Regentschafts-Rath, und der Reichs-Verweser ist verbunden, in allen wichtigen Angelegenheiten das Gutachten desselben zu erholen. § 20 Der Reichs-Verweser hat während der Dauer der Regentschaft seine Wohnung in der Königlichen Residenz, und wird auf Kosten des Staates unterhalten; auch werden ihm nebstdem zu seiner eigenen Verfügung jährlich zweymal hundert tausend Gulden in monatlichen Raten auf die Staats-Kasse angewiesen. § 21 Die Regentschaft dauert in den in § 9 bemerkten zwey Fällen - im ersten bis zur Großjährigkeit des Königs, und im zweyten, bis das eingetretene Hinderniß aufhört. § 22 Nachdem die Regentschaft beendiget ist und der in die Regierung eintretende neue König den feyerlichen Eid (Tit. X § 1) abgelegt hat, werden alle Verhandlungen der Regentschaft geschlossen, und der Regierungs-Antritt des Königs wird in der Residenz und im ganzen Königreiche feyerlich kund gemacht. Titel III. § 2 Zu dem unveräußerlichen Staatsgute, welches im Falle einer Sonderung des Staats-Vermögens von der Privat-Verlassenschaft in das Inventar der letztern nicht gebracht werden darf, gehören: § 3 Sämmtliche Bestandtheile des Staatsguts sind, wie bereits in der Pragmatik vom 20. October 1804 bestimmt war, aus welcher die nach den veränderten Verhältnissen hierüber noch geltenden Bestimmungen in gegenwärtige Verfassungs-Urkunde übertragen sind, auf ewig unveräußerlich, vorbehaltlich der unten folgenden Modificationen. § 4 Als Veräußerung des Staatsguts ist anzusehen nicht nur jeder wirkliche Verkauf, sondern auch eine Schenkung unter den Lebenden oder eine Vergebung durch eine letzte Willens-Verordnung, Verleihung neuer Lehen oder Beschwerung mit einer ewigen Last oder Verpfändung oder Hingabe durch einen Vergleich gegen Annahme einer Summe Geldes. § 5 Die bisher zu Belohnung vorzüglicher dem Staate geleisteter Dienste verliehenen Lehen, Staats-Domainen und Renten sind von obigem Verbote ausgenommen. Auch steht dem Könige die Wiederverleihung heimfallender Lehen jederzeit frey. Zu Belohnung großer und bestimmter dem Staate geleisteter Dienste können auch andere Staats-Domainen oder Renten, jedoch mit Zustimmung der Stände, in der Eigenschaft als Mannlehen der Krone verliehen werden. § 6 Unter dem Veräußerungs-Verbote sind ferner nicht begriffen: § 7 In allen diesen Fällen (§ 6) dürfen jedoch die Staats-Einkünfte nicht geschmälert, sondern es soll als Ersatz entweder eine Dominical-Rente, wo möglich in Getreide, dafür bedungen oder der Kaufschilling zu neuen Erwerbungen oder zur zeitlichen Aushülfe des Schuldentilgungs-Fonds oder zu andern das Wohl des Landes bezielenden Absichten verwendet werden. Titel IV. § 2 Das Baierische Staats-Bürgerrecht wird durch das Indigenat bedingt, und geht mit demselben verloren. § 3 Nebst diesem wird zu dessen Ausübung noch erfordert: § 4 Kron-Aemter, oberste Hof-Aemter, Civil-Staatsdienste und oberste Militaire-Stellen, wie auch Kirchen-Aemter oder Pfründen können nur Eingebornen oder verfassungsmäßig Naturalisirten ertheilt werden. § 5 Jeder Baier ohne Unterschied kann zu allen Civil-, Militaire- und Kirchen-Aemtern oder Pfründen gelangen. § 6 In dem Umfange des Reichs kann keine Leibeigenschaft bestehen, nach den nähern Bestimmungen des Edictes vom 3. August 1808. § 7 Alle ungemessenen Frohnen sollen in Gemessene umgeändert werden und auch diese ablösbar seyn. § 8 Der Staat gewährt jedem Einwohner Sicherheit seiner Person, seines Eigenthums und seiner Rechte. § 9 Jedem Einwohner des Reichs wird vollkommene Gewissens-Freyheit gesichert; die einfache Haus-Andacht darf daher Niemanden, zu welcher Religion er sich bekennen mag, untersagt werden. § 10 Das gesammte Stiftungsvermögen nach den drey Zwecken des Cultus, des Unterrichts und der Wohlthätigkeit, wird gleichfalls unter den besondern Schutz des Staates gestellt, es darf unter keinem Vorwande zu dem Finanz-Vermögen eingezogen und in der Substanz für andere, als die drey genannten Zwecke, ohne Zustimmung der Betheiligten, und bey allgemeinen Stiftungen ohne Zustimmung der Stände des Reiches veräußert oder verwendet werden. § 11 Die Freyheit der Presse und des Buchhandels ist nach den Bestimmungen des hierüber erlassenen besondern Edictes gesichert. § 12 Alle Baiern haben gleiche Pflichtigkeit zu dem Kriegsdienste und zur Landwehr nach den dießfalls bestehenden Gesetzen. § 13 Die Theilnahme an den Staats-Lasten ist für alle Einwohner des Reichs allgemein, ohne Ausnahme irgend eines Standes, und ohne Rücksicht auf vormals bestandene besondere Befreyungen. § 14 Es ist den Baiern gestattet, in einen andern Bundesstaat, welcher erweißlich sie zu Unterthanen annehmen will, auszuwandern, auch in Civil- und Militaire-Dienste desselben zu treten, wenn sie den gesetzlichen Verbindlichkeiten gegen ihr bisheriges Vaterland Genüge geleistet haben. Titel V. § 1 Die Kron-Aemter werden als oberste Würden des Reichs, entweder auf die Lebenszeit der Würdeträger oder auf deren männliche Erben, nach dem Rechte der Erstgeburt und der agnatisch-linealischen Erbfolge als Thron-Lehen verliehen. § 2 Den vormals Reichsständischen Fürsten und Grafen werden alle jene Vorzüge und Rechte zugesichert, welche in dem ihre Verhältnisse bestimmenden besondern Edicte ausgesprochen sind. § 3 Die der Baierischen Hoheit untergebenen ehemaligen unmittelbaren Reichsadelichen genießen diejenigen Rechte, welche in Gemäßheit der Königlichen Declaration durch die constitutionellen Edicte ihnen zugesichert werden. § 4 Der gesammte übrige Adel des Reichs behält, wie jeder Guts-Eigenthümer, seine gutsherrlichen Rechte nach den gesetzlichen Bestimmungen. § 5 Einige dieser Vorzüge theilen für ihre Personen (die geistlichen und) die wirklichen Collegial-Räthe, und die mit diesen in gleicher Categorie stehenden höhern Beamten. § 6 Die Dienstes-Verhältnisse und Pensions-Ansprüche der Staatsdiener und öffentlichen Beamten richten sich nach den Bestimmungen der DienstesPragmatik. Titel Vl. § 2 Die Kammer der Reichs-Räthe ist zusammengesetzt aus § 3 Das Recht der Vererbung wird der König nur adelichen Gutsbesitzern verleihen, welche im Königreiche das volle Staatsbürgerrecht, und ein mit dem Lehen- oder Fidei-Commissarischen Verbande belegtes Grund-Vermögen besitzen, von welchem sie an Grund- und Dominical-Steuern in simplo Dreyhundert Gulden entrichten, und wobey eine agnatisch-linealische Erbfolge nach dem Rechte der Erstgeburt eingeführt ist. § 4 Die Zahl der lebenslänglichen Reichs-Räthe kann den dritten Theil der erblichen nicht übersteigen. § 5 Die Reichs-Räthe haben Zutritt in die erste Kammer nach erreichter Volljährigkeit, eine entscheidende Stimme aber kömmt den Prinzen des Königlichen Hauses erst mit dem Einundzwanzigsten, den übrigen Reichs-Räthen mit dem Fünfundzwanzigsten Lebensjahre zu. § 6 Die Kammer der Reichs-Räthe kann nur dann eröffnet werden, wenn wenigstens die Hälfte der sämmtlichen Mitglieder anwesend ist. § 7 Die zweyte Kammer der Stände-Versammlung bildet sich § 8 Die Zahl der Mitglieder richtet sich im Ganzen nach der Zahl der Familien im Königreiche, in dem Verhältnisse, daß auf 7000 Familien ein Abgeordneter gerechnet wird. § 9 Von der auf solche Art bestimmten Zahl stellt: § 10 Die jede einzelne Klasse treffende Zahl von Abgeordneten wird nach den Bestimmungen des über die Stände-Versammlung hier beygefügten besondern Edictes auf die einzelnen Regierungs-Bezirke vertheilt. § 11 Jede Klasse wählt in jedem Regierungs-Bezirke die sie daselbst treffende Zahl von Abgeordneten nach der in dem angeführten Edicte vorgeschriebenen Wahlordnung für die sechsjährige Dauer der Versammlung. Die während derselben erledigten Stellen werden aus denjenigen ersetzt, welche den Gewählten in der Stimmenzahl zunächst kommen. § 12 Jedes Mitglied der Kammer der Abgeordneten muß ohne Rücksicht auf Standes- oder Dienst-Verhältnisse ein selbstständiger Staatsbürger seyn, welcher das dreißigste Lebensjahr zurückgelegt hat und den freyen Genuß eines solchen im betreffenden Bezirke oder Orte gelegenen Vermögens besitzt, welches seinen unabhängigen Unterhalt sichert, und durch die im Edicte festgesetzte Größe der jährlichen Versteuerung bestimmt wird. § 13 Alle sechs Jahre wird eine neue Wahl der Abgeordneten vorgenommen und sonst nur in dem Falle, wenn die Kammer von dem Könige aufgelöset wird. Die austretenden Mitglieder sind wieder wählbar. § 14 Der Austritt eines bereits ernannten Mitgliedes erfolgt während der Dauer der Versammlung § 15 Zur gültigen Constituirung der Kammer der Abgeordneten wird die Anwesenheit von wenigstens zwey Drittheilen der gewählten Mitglieder erfordert. § 16 Die Kammer der Reichs-Räthe wird gleichzeitig mit jener der Abgeordneten zusammenberufen, eröffnet und geschlossen. § 17 Kein Mitglied der ersten oder zweyten Kammer darf sich in der Sitzung durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen. § 18 Die Anträge über die Staats-Auflagen geschehen zuerst in der Kammer der Abgeordneten und werden dann durch diese an die Kammer der Reichs-Räthe gebracht. § 19 Kein Gegenstand des den Ständen des Reichs angewiesenen gemeinschaftlichen Wirkungskreises kann von einer Kammer allein in Berathung gezogen werden, und die Wirkung einer gültigen Einwilligung der Stände erlangen. Titel Vll. § 2 Ohne den Beyrath und die Zustimmung der Stände des Königreichs kann kein allgemeines neues Gesetz, welches die Freyheit der Person oder das Eigenthum des Staats-Angehörigen betrifft, erlassen, noch ein schon bestehendes abgeändert, authentisch erläutert oder aufgehoben werden. § 3 Der König erholt die Zustimmung der Stände zur Erhebung aller directen Steuern, so wie zur Erhebung neuer indirecten Auflagen, oder zu der Erhöhung oder Veränderung der bestehenden. § 4 Den Ständen wird daher nach ihrer Eröffnung die genaue Uebersicht des Staatsbedürfnisses, so wie der gesammten Staats-Einnahmen (Budget) vorgelegt werden, welche dieselbe durch einen Ausschuß prüfen und sodann über die zu erhebenden Steuern in Berathung treten. § 5 Die zur Deckung der ordentlichen beständigen und bestimmt vorherzusehenden Staats-Ausgaben mit Einschluß des notwendigen Reserve-Fonds erforderlichen directen Steuern werden jedesmal auf sechs Jahre bewilligt. § 6 Ein Jahr vor dem Ablaufe des Termins, für welchen die fixen Ausgaben festgesetzt sind, somit nach Verlauf von sechs Jahren, läßt der König für die sechs Jahre, welche diesem Termine folgen, den Ständen ein neues Budget vorlegen. § 7 In dem Falle, wo der König durch außerordentliche äußere Verhältnisse verhindert ist, in diesem letzten Jahre der ordentlichen Steuer-Bewilligung die Stände zu versammeln, kömmt Ihm die Befugniß einer Forterhebung der letztbewilligten Steuer auf ein halbes Jahr zu. § 8 In Fällen eines außerordentlichen und unvorhergesehenen Bedürfnisses und der Unzulänglichkeit der bestehenden Staats-Einkünfte zu dessen Deckung wird dieses den Ständen zur Bewilligung der erforderlichen außerordentlichen Auflagen vorgelegt werden. § 9 Die Stände können die Bewilligung der Steuern mit keiner Bedingung verbinden. § 10 Den Ständen des Reichs wird bey einer jeden Versammlung eine genaue Nachweisung über die Verwendung der Staats-Einnahmen vorgelegt werden. § 11 Die gesammte Staatsschuld wird unter die Gewährleistung der Stände gestellt. § 12 Eine solche Vermehrung der Staatsschulden hat nur für jene dringenden und außerordentlichen Staatsbedürfnisse statt, welche weder durch die ordentlichen noch durch außerordentliche Beyträge der Unterthanen, ohne deren zu große Belastung bestritten werden können, und die zum wahren Nutzen des Landes gereichen. § 13 Den Ständen wird der Schuldentilgungs-Plan vorgelegt, und ohne ihre Zustimmung kann an dem von ihnen angenommenen Plane keine Abänderung getroffen, noch ein zur Schuldentilgung bestimmtes Gefäll zu irgend einem andern Zwecke verwendet werden. § 14 Jede der beyden Kammern hat aus ihrer Mitte einen Commissaire zu ernennen, welche gemeinschaftlich bey der Schuldentilgungs-Commission von allen ihren Verhandlungen genaue Kenntniß zu nehmen und auf die Einhaltung der festgesetzten Normen zu wachen haben. § 15 In außerordentlichen Fällen, wo drohende äußere Gefahren die Aufnahme von Capitalien dringend erfordern, und die Einberufung der Stände durch äußere Verhältnisse unmöglich gemacht wird, soll diesen Commissaires die Befugniß zustehen, zu diesen Anleihen im Nahmen der Stände vorläufig ihre Zustimmung zu ertheilen. § 16 Den Ständen wird bey jeder Versammlung die genaue Nachweisung des Standes der Staatsschulden-Tilgungs-Kasse vorgelegt werden. § 17 Die Stände haben das Recht der Zustimmung zur Veräußerung oder Verwendung allgemeiner Stiftungen in ihrer Substanz für andere als ihre ursprünglichen Zwecke. § 18 Eben so ist ihre Zustimmung zur Verleihung von Staats-Domainen oder Staats-Renten zu Belohnung großer und bestimmter dem Staate geleisteter Dienste erforderlich. § 19 Die Stände haben das Recht, in Beziehung auf alle zu ihrem Wirkungskreise gehörigen Gegenstände dem Könige ihre gemeinsamen Wünsche und Anträge in der geeigneten Form vorzubringen. § 20 Jeder einzelne Abgeordnete hat das Recht, in dieser Beziehung seine Wünsche und Anträge in seiner Kammer vorzubringen, welche darüber: ob dieselben in nähere Ueberlegung gezogen werden sollen, durch Mehrheit der Stimmen erkennt, und sie im bejahenden Falle an den betreffenden Ausschuß zur Prüfung und Würdigung bringt. § 21 Jeder einzelne Staatsbürger, so wie jede Gemeinde kann Beschwerden über Verletzung der constitutionellen Rechte an die Stände-Versammlung, und zwar an jede der beyden Kammern bringen, welche sie durch den hierüber bestehenden Ausschuß prüft, und findet dieser sie dazu geeignet, in Berathung nimmt. § 22 Der König wird wenigstens alle drey Jahre die Stände zusammenberufen. § 23 Dem Könige steht jederzeit das Recht zu, die Sitzungen der Stände zu verlängern, sie zu vertagen oder die ganze Versammlung aufzulösen. § 24 Die Staats-Minister können den Sitzungen der beyden Kammern beywohnen, wenn sie auch nicht Mitglieder derselben sind. § 25 Jedes Mitglied der Stände-Versammlung hat folgenden Eid zu leisten: § 26 Kein Mitglied der Stände-Versammlung kann während der Dauer der Sitzungen ohne Einwilligung der betreffenden Kammer zu Verhaft gebracht werden, den Fall der Ergreifung auf frischer That bey begangenem Verbrechen ausgenommen. § 27 Kein Mitglied der Stände-Versammlung kann für die Stimme, welche es in seiner Kammer geführt hat, anders als in Folge der Geschäfts-Ordnung durch die Versammlung selbst zur Rede gestellt werden. § 28 Ein Gegenstand, über welchen die beyden Kammern sich nicht vereinigen, kann in derselben Sitzung nicht wieder zur Berathung gebracht werden. § 29 Die Königliche Entschließung auf die Anträge der Reichsstände erfolgt nicht einzeln, sondern auf alle verhandelten Gegenstände zugleich bey dem Schlusse der Versammlung. § 30 Der König allein sanctionirt die Gesetze und erläßt dieselben mit seiner Unterschrift und Anführung der Vernehmung des Staats-Raths und des erfolgten Beyraths und der Zustimmung der Lieben und Getreuen, der Stände des Reichs. § 31 Wenn die Versammlung der Reichsstände vertagt, förmlich geschlossen oder aufgelöst worden ist, können die Kammern nicht mehr gültig berathschlagen, und jede fernere Verhandlung ist ungesetzlich. Titel Vlll: § 1 Die Gerichtsbarkeit geht vom Könige aus. Sie wird unter Seiner Oberaufsicht durch eine geeignete Zahl von Aemtern und Obergerichten in einer gesetzlich bestimmten Instanzen-Ordnung verwaltet. § 2 Alle Gerichtsstellen sind verbunden, ihren Urtheilen Entscheidungsgründe beyzufügen. § 3 Die Gerichte sind innerhalb der Grenzen ihrer amtlichen Befugniß unabhängig, und die Richter können nur durch einen Rechtsspruch von ihren Stellen mit Verlust des damit verbundenen Gehaltes entlassen oder derselben entsetzt werden. § 4 Der König kann in strafrechtlichen Sachen Gnade ertheilen, die Strafe mildern oder erlassen; - aber in keinem Falle irgend eine anhängige Streitsache oder angefangene Untersuchung hemmen. § 5 Der Königliche Fiscus wird in allen streitigen Privatrechts-Verhältnissen bey den Königlichen Gerichtshöfen Recht nehmen. § 6 Die Vermögens-Confiscation hat in keinem Falle (den der Desertion ausgenommen) statt. § 7 Es soll für das ganze Königreich ein und dasselbe bürgerliche und Straf-Gesetzbuch bestehen. Titel IX. § 1 Jeder Baier ist verpflichtet, zur Vertheidigung seines Vaterlandes, nach den hierüber bestehenden Gesetzen mitzuwirken. § 2 Der Staat hat zu seiner Vertheidigung eine stehende Armee, welche durch die allgemeine Militaire-Conscription ergänzt und auch im Frieden gehörig unterhalten wird. § 3 Neben dieser Armee bestehen noch Reserve-Bataillons und die Landwehr. § 4 Die Reserve-Bataillons sind zur Verstärkung des stehenden Heeres bestimmt, und theilen im Falle des Aufgebots alle Verpflichtungen, Ehren und Vorzüge mit demselben. § 5 Die Landwehr kann in Kriegszeiten zur Unterstützung der schon durch die Reserve-Bataillons verstärkten Armee auf besondern Königlichen Aufruf jedoch nur innerhalb der Grenzen des Reichs, in militairische Thätigkeit treten. § 6 Die Armee handelt gegen den äußern Feind und im Innern nur dann wenn die Militaire-Macht von der competenten Civil-Behörde förmlich dazu aufgefordert wird. § 7 Die Militaire-Personen stehen in Dienstsachen, dann wegen Verbrechen oder Vergehen unter der Militaire-Gerichtsbarkeit, in Real- und gemischten Rechtssachen aber unter den bürgerlichen Gerichten. Titel X. § 1 Bey dem Regierungs-Antritte schwört der König in einer feyerlichen Versammlung der Staats-Minister, der Mitglieder des Staats-Raths und einer Deputation der Stände, wenn sie zu der Zeit versammelt sind, folgenden Eid: § 2 Der Reichs-Verweser leistet in Beziehung auf die Erhaltung der Verfassung den Titel II § 16 vorgeschriebenen Eid. § 3 Alle Staatsbürger sind bey der Ansässigmachung und bey der allgemeinen Landes-Huldigung, so wie alle Staatsdiener bey ihrer Anstellung verbunden folgenden Eid abzulegen: § 4 Die Königlichen Staats-Minister und sämmtliche Staatsdiener sind für die genaue Befolgung der Verfassung verantwortlich. § 5 Die Stände haben das Recht, Beschwerden über die durch die Königlichen Staats-Ministerien oder andere Staatsbehörden geschehene Verletzung der Verfassung in einem gemeinsamen Antrag an den König zu bringen, welcher denselben auf der Stelle abhelfen, oder, wenn ein Zweyfel dabey obwalten sollte, sie näher nach der Natur des Gegenstandes durch den Staatsrath oder die oberste Justiz-Stelle untersuchen und darüber entscheiden lassen wird. § 6 Finden die Stände sich durch ihre Pflichten aufgefordert, gegen einen höhern Staats-Beamten wegen vorsetzlicher Verletzung der Staats-Verfassung eine förmliche Anklage zu stellen, so sind die Anklags-Puncte bestimmt zu bezeichnen und in jeder Kammer durch einen besondern Ausschuß zu prüfen. w§ 7 Abänderungen in den Bestimmungen der Verfassungs-Urkunde oder Zusätze zu derselben können ohne Zustimmung der Stände nicht geschehen. Maximilian Joseph
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